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Heilige Hallen Sebnitz

Die heiligen Hallen im Sebnitzer Wald - eine alte indogermanische Kultstätte?


Wir wandern in die "Heiligen Hallen" im Sebnitzer Wald. Flurbezeichnungen sind oft uralt und deuten auf die frühere Nutzung eines Landstriches hin. Das Wort Halle stammt von dem althochdeutschen Wort halla = Tempel, ab und ist verwandt mit dem lateinischen Wort cella - Heiligtum im Tempel und mit altindisch sala - Haus, Gemach. [1]

Die Germanen verehrten ihre Götter wie Jakob Grimm in der Deutschen Mythologie [2] schreibt oft in Wäldern und auf Bergen. Die Flurbezeichnung Heilige Hallen könnte auf ein uraltes indogermanisches Heiligtum hinweisen.


Landkarte Heilige Hallen

Karte Heilige Hallen Google earth

 

Dichter Buchenwald, kleine Bächlein und weite Ausblicke auf die bewaldeten gegenüberliegenden Berge säumen den Weg. Kurz bevor wir die Heiligen Hallen betreten, machen wir eine kurze Rast an der Pferdekuppen-Hütte.


Pferdekuppenhütte

Vor den Tempeln unserer Vorfahren gab es eingefriedete Bereiche, wo den Göttern geweihte Pferde grasten[3]. "Die Zucht reiner und geweihter Rosse diente zu heiligen Gebräuchen, namentlich zu Opfern, Weissagungen und für den Umzug der Götterwagen" [4]. Der Name Pferdekuppenhütte könnte auf einen solchen Bereich hinweisen.

Noch ein Stückchen durch den Buchenwald und wir kommen zu einer steinernen Opferschale. Seitlich am Hang entspringt eine Quelle.

Quelle

Quelle

Opferschale

Steinerne Opferschale

Ensemble Opferschale

Gesamtansicht Ensemble Opferschale


Oberhalb der Schale führt ein Pfad den Hang hinauf, der "Wickelkindweg" heißt. Das ganze Ensemble könnte eine alte Opferstätte an einer Quelle sein. Vieles deutet auf einen Fruchtbarkeitskult bzw. ,"Diesseitskult" hin. Der Opferstein hat die Form einer Vulva. Quellen waren unseren Vorfahren als Ursprung des Lebens heilig.

Wir wandern weiter durch die Heiligen Hallen. Am Rande des Weges stehen zwei rätselhafte Steinstühle. Wann sie entstanden sind und wozu sie gedient haben mögen, lässt sich nicht mehr sagen. Aber man kann sie mit anderen Zeugnissen aus der Frühzeit vergleichen und literarische Zeugnisse hinzuziehen.


Steinstühle in den Heiligen Hallen Sebnitz

Steinstühle in den Heiligen Hallen


Steinstuhl Knossos

Steinstuhl aus dem Palast von Knossos, Kreta, ca. 2500 v. Chr.

Steinstuhl Wet Withens

Steinsitz in einer bronzezeitlichen Anlage
Wet Withens, England, (2200 - 800 v. u. Z.)


Steinstühle waren der Überlieferung nach Sitze von Herrschern oder göttliche Throne. In den Mysterienkulten der Antike ist bezeugt, dass der Einzuweihende zu Beginn der Weihungen auf dem Mysterien-Thron Platz nahm[5]. Mysterienkulte hatten den Sinn, die Kreisläufe des Lebens mit Leben und Tod zu begreifen (Jahreszeiten, Ernten, Tod und Wiedergeburt; 1. Einweihungsstufe) und eine Verbindung zum großen kosmischen Gesamtzusammenhang zu finden - Jenseitsmediation über das Unentstandene, den Ruhepunkt des Alls (2. Einweihungsstufe).
Die beiden Steinstühle sind verschieden. Der eine hat eine rechteckige Lehne - mythologisches Zeichen der Erde und des Diesseits; die andere Lehne hat die Form eines aufwärtsstehenden Dreiecks - Zeichen der auf den Ruhepunkt des Seins gerichteten geistigen Energie.

Wir wandern weiter und gelangen zu einem kleinen Hochplateau. Hier hat der Sturm eine Schneise geschlagen.


Plateau Omphalos

Plateau mit Steinformationen, am Pfeil Fundort des Omphalos


Am Rande des Weges wurde der steinerne Omphalos (Bild unten) gefunden. Steine in Form eines länglichen Eies werden in Indien noch heute als Ursprung der Welt, als das Unenstandene und Verbindung mit dem gesamten Kosmos verehrt. Diese Steine sind oft nicht bearbeitet. Es werden Findlinge bzw. vom Wasser glattgeschliffene Flusssteine ausgewählt. Aufrecht stehende Steinsäulen (Hermen) galten in der Antike als Verbindung von Himmel und Erde, von Diesseits und Jenseits. Eine Verbindung zu den Menhiren des Neolithikums ist möglich.


Omphalos

Omphalos gefunden in den Heiligen Hallen


Oberhalb der kleinen Ebene am Hang liegt ein riesiger, fast waagerechter Stein, der eine schalenförmige Vertiefung hat, in der man sehr angenehm sitzen kann. Der ganze Steinsitz ist genau nach Norden ausgerichtet. Nachts kann man von dort den Polarstern - den Ruhepunkt des Alls - beobachten.


Steinerner Hochsitz

Steinerner Hochsitz


Steinerner Hochsitz

Schalensitz auf dem Hoch-Stein


Besonders interessant ist, dass rechts vom Hochsitz ein riesiger Felsbrocken in Form eines aufwärtsgerichteten Dreiecks steht. Der Felsen wurde von zwei Seiten mit Steinkeilen befestigt. Das Dreieck mit der Spitze nach oben steht in der uralten hinduistischen Ikonographie noch heute für die auf die Ewigkeit gerichtete geistige Energie.


Dreieckfelsen

Dreieckfelsen neben dem Steinsitz


Befestigung Dreieckfelsen     Befestigung Dreieckfelsen

Befestigung des Steines von vorn und hinten


Die abgelegene Lage im Wald ist ideal für ein Meditation über die Ewigkeit fernab vom Staub des Alltags. Der germanische Gott Odin sitzt auf seinem Hochsitz Hlidskialf und denkt über den Lauf der Welt nach. Die Flurbezeichnung Heilige Hallen, die Quelle, eine Opferschale, die beiden Steinstühle, der steinerne Hochsitz mit dem befestigten Dreickstein bilden möglicherweise das Ensemble einer alten indogermanischen Kultstätte.

Dazu könnte der etwa einen Kilometer entfernte Ilse-Ohnesorge-Stein auf dem Kaiserberg gehört haben. Dieser gewaltige Felsen hat vielleicht der Sonnenbeobachtung gedient. So konnten unsere Vorfahren die Zeiten für ihre heiligen Feste an den Sonnenwenden und Tag- und Nachtgleichen bestimmen. Untersuchungen zum Ilse-Ohnesorge-Stein.


Anm. 1: Pfeiffer, Etymologisches Wörterbuch des Deutschen
Anm. 2: Jacob Grimm, Deutsche Mythologie, S. 60
Anm. 3: Jacob Grimm, Deutsche Mythologie, S. 623 f
Anm. 4: Jacob Grimm, Deutsche Mythologie, S. 624
Anm. 5: Hans Kloft, Mysterienkulte der Antike, S. 36 ff (Passend dazu ist auch die Beschreibung des Mysterienkultes in Apulejus, der goldene Esel)


©Antje Riederer, Magistra Latein, Griechisch, Philosophie
Sebnitz, 27.07.2020
antje.riederer@hotmail.de